11. Solothurner Kirchenmusikwoche 2010
Oktober 2010
Rejoice - Freuet euch!
Als die 85 erwachsenen Teilnehmenden der Kirchenmusikwoche am Sonntag, 10. Oktober den Eingang der Kantonsschule Solothurn passierten, trafen sie auf 45 Kinder und Jugendliche, die daran waren, einen grossen, grünen Tannenbaum weihnächtlich zu schmücken. Im Sitzungszimmer der Kursleitung lagen auf den Tischen Mailänderli und Ausstechformen für die Referenten bereit. Sterne und Kerzen erhellten den Raum.
Auf diese Weise wurden wir im Oktober mitten in die adventliche Stimmung versetzt, die das Thema der 11. Solothurner Kirchenmusikwoche angab: Gaudete - Rejoice - Freuet euch! Musikalisch stand im Zentrum das Magnificat von John Rutter und über jedem Tag eine der O-Antiphonen, die in den letzten sieben Tagen des Advents jeweils das Magnificat der Vesper einleiten.
"O Weisheit aus des Höchsten Mund"
war dann auch das Leitmotiv in der Feier am Sonntagabend, in der Stimme und Text, Psalm 30, mit Bettina Dieterle, musikalische Improvisation von Vreni Winzeler und stimmliche Improvisation aller Teilnehmenden zum Klingen kamen.
Mit diesem Thema beschäftigte sich intensiv das Atelier: Atem - Körper - Stimme bei Bettina Dieterle: Ursula Sinniger-Mangold stellte sich zu Beginn die Frage: "Ob sich wohl jemand der Atelier-Teilnehmenden annährend passende Vorstellungen dessen gemacht hatte, was uns erwartete? Ja, bereits am ersten Morgen erfuhren und merkten wir, was hinter dem Ateliertitel versteckt ist. Sich erden; die Mitte suchen und finden; Atmung erfahren. Wir hatten aber noch nicht alles kennen gelernt, was Bettina Dieterle mit uns vorhatte: die Welle, eine Atem-Technik; den Sonnengruss, ein Bewegungsablauf, der den ganzen Körper beansprucht; die Reichsche Atmung etc."
Mit dem Montag begann dann der Rhythmus, der die ganze Woche strukturierte, mit dem Morgensingen, das Vreni Winzeler anleitete und das die Stimme aufwärmte. Denn Kirchenmusik-Menschen müssen einfach singen, wenn sie am Morgen erwachen, das ist zutiefst in einem drin: "When I wake up in the morning, I have to sing a song.", so lockte Vreni Winzeler es hervor. Inhaltlich und geistlich wärmten uns Mitglieder der Bistumsleitung auf, insbesondere des Pastoralamtes, mit Impulsen zur jeweiligen O-Antiphon; am Montag war dies:
"O Adonai, Herr und Führer des Hauses Israel."
Auf diese Weise vorbereitet konnte Christoph Honegger den aus allen Teilnehmenden und Referenten bestehenden Gesamtchor leiten und mit uns Teile aus Rutters Magnificat erarbeiten.
Am Vormittag und am Nachmittag fanden dann die Fachateliers statt. In den Freiateliers, konnte man sich an zwei Nachmittagen zusätzlich Impulse nach Wahl holen. Einzelunterricht in Stimmbildung und Orgelimprovisation ergänzten das Bildungsangebot.
Die liturgische Feier dieses Tages war ein als Taizé-Gebet gestaltetes Abendgebet in der Klosterkirche Visitation. Hier brachte sich vor allem das Atelier Liturgiegesang ein, das Udo Zimmermann und Hansruedi von Arx leiteten.
Theres Mathys-Manz beschreibt dies als Teilnehmerin: "Nach intensiver Vorbereitung am Montag durften wir abends die Taizéfeier im Kloster Visitation mit unseren Gesängen begleiten, für uns eine gute Erfahrung, was in kurzer Zeit alles möglich ist." Was wurde sonst noch in diesem Atelier erarbeitet? "Als zusammengewürfelte Gesellschaft aus alt geübten KantorInnen sowie Chor- und nicht-ChorsängerInnen vom Teenager- bis ins Pensionsalter haben wir vorwiegend mit auf Verkündigung ausgerichtetem Text und Musik gearbeitet: Antwortpsalmen, O-Antiphonen, Taizégesänge. Das Highlight war: in dieser unterschiedlichen Mischung das Gefühl für einander so entwickelt zu haben, dass am Donnerstagabend in der Jesuitenkirche der Antwortpsalm ohne Stimmenwirrwarr ertönen konnte."
"O Spross aus Isais Wurzel"
Eine Wurzelbehandlung sind vielleicht auch Martin Hobis Kolumnen in "Musik und Liturgie". Am Dienstagabend hatten wir die besondere Gelegenheit einer Buchvernissage. Unser langjähriger Leiter des Ateliers Dirigieren, Martin Hobi, stellte in einer abwechslungsreichen - weil abwechselnd mit Johanna Jud vorgetragenen - Lesung sein humorvolles Buch "Schwere Tasten - leichte Feder. Asteriscus*. Glossen zu Kirchenmusik und Liturgie" vor.
Anschliessend folgte die Orgelfeier in der Martinskirche Olten. Unsere Orgeldozenten Martin Heini, Thomas Nipp und Dieter Hubov spielten adventliche und weihnachtliche Werke von Jacob Praetorius, Marcel Dupré, Hugo Distler und Naji Hakim. Dazu sang das Gregorianik-Atelier und Bettina Dieterle las Texte aus dem Hohelied.
Sibylle Ehrismann nahm am Fachatlier Orgel teil. Sie hat erlebt, wie "mitten im Sommer, die Orgelnoten mit Choralvorspielen zum Advent kamen. Doch wer will schon im Juli Weihnachtslieder variieren? Zum Glück war die Literatur interessant: Martin Heini bot eine Auswahl mit Choralvorspielen aus Barock und Gegenwart, Dieter Hubov widmete sich der süddeutschen und italienischen marianischen Orgelmusik, und Thomas Nipp sorgte für das "Romantische".
Von unseren Dozenten wurden wir angehalten, die Musik zu geniessen, die wir spielen: beim komplexen Bach etwa sollen die entscheidenden Noten "wie eine frische, reife, Erdbeere auf der Zunge vergehen" (Dieter Hubov). Oder der Aufbau der Barockmusik vom Bass bis zur Melodie, der sollte sein wie die beste Crèmeschnitte: der Bass-Teig knusprig, der Zuckerguss oben süss, doch die Mittelstimmen, die Crème dazwischen, ist genauso wichtig, sie muss aus frischen und leichten Zutaten gemacht sein (Martin Heini).
Fürs Improvisieren wechselten wir dann vom Kulinarischen in den Zoo (von Thomas Nipp): ob mit dem "grossen Hasen" (Dreiklangsbrechung) oder dem "Specht" (Tonwiederholung), schnell wurde so eine einfache Kadenz zum fantasievollen Stück."
"O Schlüssel Davids, Zepter des Hauses Israel."
Den Impuls zu dieser O-Antiphon hörten wir am Mittwoch bereits um sieben Uhr. Denn zum Advent gehört die frühmorgendliche Rorate-Messe. Stimmungsvoll war die Kirche des Klosters Namen Jesu ausschliesslich mit Kerzen erleuchtet und in diese meditative Ruhe hinein klangen die Gesänge des Gregorianik-Ateliers umso eindrucksvoller.
"Frühmorgens gestaltete die Schola einen Rorate-Gottesdienst. Experimentell hat die Schola die Anfänge der Polyphonie nachempfunden. Vreni Winzeler schlug mit ihren begleitenden Improvisationen auf der Bassklarinette die Brücke zur zeitgenössischen Musik.", so hat es Roland Gerber vom Gregorianik-Atelier erlebt. Weiter stellen sich ihm zur Gregorianik die Fragen: "Syllabisch oder sibyllinisch? Melismatisch oder mysteriös? Rätselhaft und geheimnisvoll ist das gregorianische Fachvokabular für den Laien schon. Doch der Referent, Thomas Höfling, hat es verstanden, die Anfänger sicher über die gewundenen Pfade der gregorianischen Musiktheorie zu führen, ohne die bereits Eingeweihten zu langweilen. Eine bunte Fülle historischer Anekdoten machten diese lange Zeit in Vergessenheit geratene Urquelle der gesamten abendländischen Musik lebendig. Die Umsetzung in die gesangliche Praxis war denn auch viel spannender, wenn einem die Hintergründe dieser faszinierenden Musikwelt wenigstens in Ansätzen verständlich wurden."
Am Donnerstag gestaltete das Fachatelier Chorsingen unser Abendgebet in der Jesuitenkirche. Dazu brachte sich das Freiatelier "Liturgischer Tanz" unter der Leitung von Brigitta Biberstein mit zwei meditativen Tänzen ein. Der Tanz zum Magnificat wurde eingeleitet mit der O-Antiphon:
"O Morgenstern, Glanz des unversehrten Lichtes."
Für diesen Gottesdienst hatte das Fachatelier Chorsingen unter der Leitung von Roman Walker die Motette "Herr nun lässest Du Deinen Diener" von Felix Mendelssohn sowie die Motette "Aventi enek" von Zoltan Kodaly eingeübt. Dazu kam noch ein Teil aus Rutters Magnificat für die Schlussfeier. Hanspeter Amberg meint zu diesen Proben: "Alle Werke erwiesen sich für uns Laien-Sänger und -Sängerinnen als recht anspruchsvoll; wir hatten ziemlich daran zu arbeiten. Doch bei unseren Auftritten konnten wir beweisen, was unser Dirigent mit uns in dieser kurzen Zeit erreicht hatte."
Anschliessend genossen wir den Bunten Abend in der Kantonsschule Solothurn bei einem guten Essen, lustigen und spontanen Beiträgen verschiedener Ateliergruppen und in allerbester Gemeinschaft.
Schon zu Beginn der Woche im Eingang der Kantonsschule und jeweils bei den Mittagessen spürten wir den frischen Geist des Kinderchores und des Jugendchores. Am Freitagabend in der "World-X-Mas" in der Turnhalle der Kantonsschule, einem ungewohnten Ort für eine musikalische Feier, kam dieser dann voll zum Tragen. Als Mitfeiernde sassen wir im Innern des Kreises, während um uns herum an vier Plätzen sich die jugendlichen Chöre aufgestellt hatten, hin- und hersprangen und in verschiedenen Besetzungen Weihnachtslieder aus aller Welt zum Besten gaben. Das passte zur O-Antiphon des Tages,
"O König aller Völker",
und da kam schwungvolle Weihnachtsstimmung auf.
Vom Jugendchor berichten Anna-Barbara Winzeler (14) und Anna-Sophia Stocker (13): "Wir 12 Knaben und 13 Mädchen waren aufgeteilt in 3 Stimmen, Bass, Alt und Sopran. Gesungen haben wir hauptsächlich Weihnachts- und Adventslieder. Am Morgen sangen wir jeweils zusammen mit dem Kinderchor ein. Wir sangen jeweils 1½ Stunden am Morgen und 2 Stunden am Nachmittag. Zum Teil sangen wir Lieder und bewegten uns dazu. Nicht immer einfach. Wir mussten insgesamt dreimal vor Publikum singen. Beim bunten Abend der Erwachsenen am Donnerstag, bei der World-X-Mas am Freitag und am Samstag bei der Festfeier in der Franziskanerkirche. Bei zwei Liedern gab es Solos. Bei einem war das zweite Solo schwer zu besetzen. In letzter Minute wurde aber doch noch ein Solist gefunden. Im Jugendchor herrschte eine recht fröhliche und ausgelassene Stimmung. Dies trug dazu bei, dass der Jugendchor am der World-X-Mas alle erlernten Stücke auswendig singen konnte. Es waren immerhin 10 Stück. Einmal mussten wir mit den Erwachsenen das Magnificat üben. Hansjörg Fischer, unser Lagerleiter, sagte wir sollen beim Einsatz "Jingle Bells" singen. Der Jugendchor kam aber auf die Idee "Mango" zu singen. Damit haben wir auch Hansjörg hereingelegt. Das war sehr lustig. Am bunten Abend konnten ausserdem ein paar Freiwillige den "Bächerlitango", den man bei Vreni Winzeler lernen konnte, vortragen. Es war ein sehr tolles Lager."
Schwungvoll lief es auch im Dirigieratelier. Liliane Balzardi und Franziska Senn waren dabei: "Erwartungsvoll sind wir am Montag ins Atelier gekommen. Beat Schäfer überraschte uns mit schwung- und lustvollen Dirigierübungen. "Hasenohren, Wasser patschen und Pferderücken streicheln" wurden uns auf humoristische Weise ausgetrieben (hoffen wir wenigstens!!).
Die sichtbar versteckte Kamera zeichnete die gemachten Fortschritte auf. Als Höhepunkt durften wir am Freitag ein Streichorchester dirigieren.
In der zweiten Gruppe hat Martin Hobi mit uns ebenso schwungvoll und geduldig Dirigiertechniken geübt. Die kleine Gruppengrösse war ideal, so hatten wir oft die Möglichkeit, am Dirigierpult zu stehen und zu schwitzen. Unzählige Einsätze und Abschlüsse haben wir trainiert, auf 100 und zurück: "und hopp, und Schwung, und zagg!...."
"O Immanuel, unser König und Lehrer, du Hoffnung und Heiland der Völker"
war am Samstag 16. Oktober die letzte O-Antiphon. Zu ihr hielt Birgitta Aicher die Ansprache in der Festfeier, die feierlich unsere Kirchenmusikwoche abschloss. Musikalisch bildete das Mangificat von John Rutter das Leitmotiv. Das Choratelier, Kinder- und Jungendchor und der Gesamtchor stimmten gemeinsam in das marianische Lob Gottes ein und krönten Woche und Gottesdienst mit dem "Gloria Patri". Begleitet wurde der stattliche Chor unter der Leitung von Christoph Honegger und Roman Walker von einem Ad-hoc-Orchester.
Der Gesamtleitung unserer Verbandsdirektorin Sandra Rupp und der Administration von Simon Haefely und Patricia Pargger verdanken wir einmal mehr eine intensive, spannende und erfolgreiche Solothurner Kirchenmusikwoche. Wir konnten erfahren, dass Musik wirklich verbindet, untereinander und mit Gott im gesungenen Gebet. Wir danken an dieser Stelle allen, welche die Solothurner Kirchenmusikwoche finanziell und ideell unterstützten.